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Als das Gesetz Nr. 6/2024 die Person des Sachwalters eingeführt hat, haben sich Rechtslehre und Rechtsprechung gleich gefragt, wie diese neue Figur rechtlich einzuordnen sei.
Ist der Sachwalter ein Subjekt des Privatrechtes oder eine Amtsperson?
Es muss gleich betont werden, dass diese Frage in keinem Kodex oder Gesetz beantwortet wird. 

Die Rechtslehre (Universitätsprofessoren und Rechtswissenschaftler) waren der Ansicht, dass der Sachwalter ein Subjekt des Privatrechtes sei, da er ausschließlich im Interesse der begünstigten Person handelte, folglich zum Schutz nur von dessen persönlichen Interessen.


Die Rechtsprechung (Urteile der Richter) hingegen war der Meinung, dass der Sachwalter als Amtsperson anzusehen sei, da die Ernennung des Sachwalters für die begünstigte Person jedenfalls einem öffentlichen Interesse zuzuordnen sei, als Unterstützung für eine sich in Schwierigkeiten befindliche Person, in Anwendung des Prinzips der sozialen Solidarität.

Diese Rechtsunsicherheit der ersten Jahre nach in Kraft treten des Gesetzes Nr. 6/2004 wurde mit Urteil des Kassationsstrafgerichtshofes Nr. 50754/2014 und der ausführlich begründeten Feststellung (die wir hier aus Platzgründen nicht anführen), dass der Sachwalter eine Amtsperson ist, endgültig behoben.

Die logische Schlussfolgerung der Kassation ist folgende: der Sachwalter übt eine Funktion im Interesse und zum Nutzen der Allgemeinheit aus, in direkter Anwendung der Prinzipien gemäß Art. 2 („Solidaritätsprinzip“) und Art. 38 („Recht auf sozialen Hilfeleistung für alle Mitbürger, denen die Mittel zur Lebenshaltung fehlen oder die sich in Schwierigkeiten befinden“) unserer Verfassung. Dazu kommt, dass laut Art. 357 St.GB all jene Subjekte als Amtsperson definiert werden, die eine gesetzgebende-, rechtsprechende- und verwaltungsrechtliche Funktion im öffentlichen Interesse ausüben. Und wir wissen nur zu gut, dass der Sachwalter eine verwaltungsrechtliche Funktion im weiteren Sinne des Wortes ausübt, da er sich auch mit den bürokratischen Unterstützungsmaßnahmen für die begünstigte Person beschäftigt.

Der Art. 411 ZGB - so interpretiert der Kassationsgerichtshof - sieht vor, dass die Bestimmungen des Vormundes eines Minderjährigen auch für den Sachwalter gelten, vor allem hinsichtlich einiger Rechtsinstitute, die für eine Amtsperson typisch sind: 
i)    Der Sachwalter wird formell vereidigt  (wie andere Amtspersonen auch, z.B. Ordnungskräfte, Notare, Rechtsanwälte, Ärzte); 
ii)    Für den Sachwalter gelten die Bestimmungen laut Art. 374 ZGB, die  die Ermächtigungen für Rechtshandlungen betreffen, die sich markant auf das Leben der begünstigten Person auswirken.
Es muss jedoch festgehalten werden, dass der Sachwalter nur für bestimmte Rechtshandlungen als Amtsperson angesehen werden kann. Dies gilt z.B. für die Abfassung des jährlichen Rechen-schaftsberichtes (die Bescheinigung des Vermögens des/der Begünstigten), Anzeigen im Namen und für Rechnung des/der Begünstigten, Unterschrift der Einwilligungserklärung bei medizinischen Dringlichkeitsmaßnahmen, Unterschrift von Anstellungsverträgen für Hauspflegekräfte usw. 
Die Einstufung als Amtsperson führt auch dazu, dass der Sachwalter in der Ausübung seiner Funktion für bestimmte, besondere Vergehen verantwortlich gemacht werden kann, die wir in unserer nächsten Newsletter aufzeigen werden.            
 

RA Francesco de Guelmi - Alps Consulting