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Arianna Fiumefreddo, von Beruf counselor, ist  Vizepräsidentin von  Centaurus Arcigay Bozen, und auch im Verein Pro Postiv aktiv, . Arianna ist mit einem kämpferischen Geist ausgestattet.  Die Inklusion und Selbstbestimmung des Geschlechts (und nicht nur dessen) stellen für sie eine praktische Frage dar: man trifft sie nicht nur im Büro, sondern auch in der Schlachthofstrasse, wo sie sich um  junge Menschen auf der Strasse kümmert. Denjenigen nah, die ausgegrenzt sind, die nicht unsere Sprache kennen, die Opfer von Menschenhandel sind, sowie  täglicher Gewalt durch Homophobie ausgesetzt sind. Nach einem Treffen mit dem Verein für Sachwalterschaft erzählt sie uns ihre Reflektionen und ihre Vorstellungen von einer Rolle, welche den Unterschied machen kann, auch für eine Person, die Teil der Gemeinschaft LGTBI+ ist. 

Sachwalterschaft: Wie kann man einer beeinträchtigten Person helfen, die Teil der Gemeinschaft LGBTI + ist?

Eigentlich wird das Thema Beeinträchtigung weniger von der Gemeinschaft LGBTI+ beachtet. Es existiert ein kulturelles Bild der LGBTI+ von jungen, schönen, „wunderbaren“ Menschen, weit entfernt von alten, zerbrechlichen und problematischen Fällen. Eine verzerrte Sicht, welches eine oberflächliches Bild wiedergibt, quasi angelehnt lediglich mit der Vorstellung an eine Prideparade.

Das vermindert die Wahrnehmung einer gewissen Art der Zerbrechlichkeit, wie das Thema des fortgeschrittenen Alters, in dem die Personen beginnen weniger Autonomie zu haben, so wie all diejenigen Situationen, in denen man sich plötzlich befinden kann: Krankheit, Unfall, eine Abhängigkeit, finanzielle Not, oder eine Behinderung. All diese Umstände werden nicht in Betracht gezogen. 

Aber schauen wir uns an was auf Landesebene passiert: Der Verein Centaurus von Bozen hat vor zwei Jahren diverse Projekte gestartet, wodurch Kontakte zu beeinträchtigten Personen der LGTB+ entstanden, die einen Sachwalter benötigen. 

Zum Beispiel der Fall Angela (Name geändert) mit sozialen, gesundheitlichen und auch Problemen hinsichtlich der Wohnsituation, welche eine Geschlechtsumwandlung durchführen lassen wollte. Eine Person, welche als Mann geboren wurde, offenbarte ihren Betreuern, dass sie als Frau leben wolle, auch wenn sie schon das 50.Lebensjahr erreicht hatte. 
Die Gesundheitssituation von Angela verschlechtert sich und plötzlich ist sie nicht mehr imstande in vollständiger Selbständigkeit ihre eigenen Interessen wahrzunehmen. Die Ernennung eines Sachwalters wurde dringend erforderlich. 
Es wird die Suche eines ihren Bedürfnissen angepassten Sachwalters erforderlich, welcher dem Umstand Rechnung trägt, dass es sich um einen Transsexuellen handelt. 
Wenn eine Person mit unzureichender Sensibilität und Offenheit das Erlebte von Angela im Zusammenhang mit ihrer LGTBI+ Identität,  gewählt wird, wird riskiert, dass Dinge augeschlossen oder unterlassen werden, aus Angst vor negativen Auswirkungen und Vorurteilen aufgrund von Homophobie ….. Und dies darf nicht geschehen. 
Diese Geschichte gab Anlass über die Wichtigkeit einer effektiven Inklusion des „unsichtbaren“ Teils der Gemeinschaft LGTBI+ zu reflektieren. Das heißt wir müssen bereit sein die Schwachen anzunehmen und zu unterstützen, welche einem hohen Ausgrenzungsrisiko ausgesetzt sind. 
 

Kann es im Fall einer Behinderung seit der Geburt eine konkrete Hilfe  für die Selbstbestimmung auch im Hinblick die Geschlechteridentität sein?

Wenn ein gemeinsamer Weg begonnen wird, damit sich die Lebensqualität des Begünstigten verbessert und wo Raum für Autonomie geschaffen werden soll, muss der Sachwalter eine große Fähigkeit besitzen Zuzuhören und eine Vertrauensbeziehung aufbauen, in dem die Person sich frei fühlt die wahre Natur zu enthüllen. Der Sachwalter muss, um seine volle soziale und solidarische Funktion zu erfüllen, der Person helfen sich auszudrücken, und sich darum bemühen in der Gemeinschaft, deren Teil diese ist, zu integrieren, so dass diese sich nie wirklich alleine fühlt. Wenn der Begünstigte entscheidet zu einer Pride nach Berlin im Rollstuhl zu fahren, sollte er keine Angst haben den Sachwalter zu fragen die Reise zu organisieren. 

Wir müssen im Auge behalten, dass eine Person LGTBI+, egal ob völlig gesund  oder seit Geburt behindert,  eine besondere Schwierigkeit hat,  die andere Menschen nicht haben: wir leben in einer homotrasphobischen.Gesellschaft, in der man seit der Kindheit gezwungen wird soziale und moralische negative Eindrücke hinsichtlich einer LGTBI+ Identität anzunehmen. 
 Wenn dann die „Unterschiedlichkeit“ enthüllt wird , und also den negativen Stereotypen anhaftet , wird die Person Schwierigkeiten haben ein positives Bild von sich selbst zu haben und sich zu akzeptieren. Mit anderen Worten, er wird sich immer falsch fühlen, an einem falschen Ort. Er wird sein ganzes Leben daran arbeiten und es bedarf eine große Kraftanstrengung für ein Comingout

Wir haben das Thema bereits eben angesprochen, und ich denke das Thema ist sehr interessant. Was passiert mit einer Person, der alt wird?

Die neue Generation konnten eine Lebensgemeinschaft eingehen, sogar Kinder adoptieren oder zeugen. Aber was passiert mit der Bevölkerungsgruppe, die jetzt alt ist, die keine Angehörigen haben, die sie pflegen können oder die aufgrund eines Comingout seit Jahren keine Beziehung mehr mit der Herkunftsfamilie habe? Wenn ein familienexterner Sachwalter ernannt wird, kann dieser auf die Pathologien des Alterns vorbereitet sein, aber eventuell fehlen ihm die Informationen, dass die begünstigte Person, auch wenn diese alt ist, eine gewisse sexuelle Orientierung hat. Bei Alten und Kranken wird automatisch die sexuelle Dimension ausgeschaltet. Aber die Löschung eines so wichtigen Elements eines Individuums ist für die persönliche und menschliche Würde schädigend.

Mit anderen Worten, es wird eine soziale und kulturelle Revolution benötigt, welche natürlich die Dimension eines jeden Aspekts des Lebens  einer LGTBI+ Person, auch hinsichtlich einer Beeinträchtigung, einschließt.

Die Institutionen, die Vereine, die Ämter, die Dienste, die einzelnen Mitarbeiter, die sich mit beeinträchtigten Menschen beschäftigen, sollten anfangen sich zu fragen, ob sie den Personen genügend Raum zum Ausdruck gegeben haben, welche aus Angst diskriminiert  oder negativ beurteilt zu werden, diesen Teil von sich selbst verborgen haben. Das Recht der eigenen Identität eine Stimme zu geben, in einer wirklichen gerechten und zivilen Welt, muss garantiert sein. Auch wenn es einen Sachwalter gibt. Im Gegenteil, dann noch umso mehr.